Mikromaschinen vs. Kompaktmaschinen: Den Unterschied verstehen

Für die Bearbeitung kleiner, filigraner Werkstücke kommen Fertigungszentren aus zwei Kategorien infrage: Mikromaschinen oder Kompaktmaschinen. Doch so ähnlich die Bezeichnungen auch klingen: Die Maschinen sind alles andere als das. Samuel Vuadens war als Gründer von MECATIS und als CEO von CHIRON Swiss entscheidend an der Entwicklung und globalen Skalierung der bis dato erfolgreichsten Mikromaschine Micro5 beteiligt. Für ihn gibt es sechs Kriterien, die den Unterschied zwischen den beiden Kategorien ausmachen.

Größe und Präzision: in neuem Maßstab

Kompaktmaschinen – der Name ist Programm – zeichnen sich durch ihren kompakten Footprint aus und finden in jeder Fertigungsumgebung Platz. Unter Maschinenbauaspekten ist ihr Design konventionell und auf das Bearbeiten von Standardteilen in etablierten Verfahren ausgerichtet. Im Gegensatz dazu setzen Mikromaschinen mit ihrem außergewöhnlichen Verhältnis von 5:1 zwischen den strukturellen Abmessungen der Maschine und der maximalen Werkstückgröße neue Maßstäbe in der Bearbeitung von anspruchsvollen Bauteilen. Bei der Micro5 bedeutet das: ein Milling Center von 250 mm zu einer Werkstückkubatur bis 50 mm, bei der Micro5 XL sind es 600 mm für das Herzstück der Maschine zu einer maximalen Kantenlänge von 120 mm.

Dieses Verhältnis ist einzigartig, verbindet extreme Kompaktheit mit herausragender Leistung. Durch die Reduzierung der bewegten Massen erreichen Mikromaschinen eine außergewöhnliche Dynamik, ohne dabei an Steifigkeit einzubüßen – ein zentrales Kriterium für schnelle und hochpräzise Bearbeitungszyklen. Auf diese Weise wird auch bei sehr herausfordernden Anwendungen eine ausgezeichnete Wiederholgenauigkeit und Präzision erzielt.

Konstruktionsprinzip: Entwicklung jenseits des Etablierten

Kompaktmaschinen sind im Wesentlichen kleinere Versionen herkömmlicher Anlagen. Ihr Design ist auf Flexibilität und Variabilität ausgerichtet, basiert auf konventioneller mechanischer Konstruktion und dynamischen Prinzipien. Mikromaschinen hingegen verfolgen einen völlig anderen, revolutionären Ansatz. Die Vorteile, die dadurch ermöglicht werden: Beschleunigungen von bis zu 2,5 g und Rucke bis 900 m/s³.

Diese überzeugende Dynamik, kombiniert mit optimierter Steifigkeit, verschiebt die Grenzen der Präzision und verkürzt die Zykluszeiten. Dank dieser innovativen Eigenschaften eignen sich Mikromaschinen besonders für die Hochleistungsbearbeitung in Zukunftsbranchen.

Aufgrund ihrer kompakten Bauweise und der geringen Leistungsaufnahme ist auch die thermische Stabilität hervorragend.

High Speed Cutting vs. konventionelle Bearbeitung: ein technologischer Paradigmenwechsel

Die Unterschiede zwischen den beiden Maschinenarten Mikro und Kompakt gehen über Größe und Konstruktionsprinzip hinaus. Kompaktmaschinen sind auf konventionelles Bearbeiten ausgelegt, Stabilität und Vielseitigkeit stehen im Vordergrund. Mikromaschinen hingegen nutzen die Möglichkeiten des Hochgeschwindigkeitsfräsens – High Speed Cutting HSC – voll aus. Diese Technologie zeichnet sich durch hohe Spindeldrehzahlen und Bahngeschwindigkeiten aus, verkürzt Zykluszeiten und sorgt gleichzeitig für beste Oberflächengüte. In Mikromaschinen kommen daher Hochgeschwindigkeitsspindeln mit bis zu 60.000 min-1 zum Einsatz.

HSC ist überall dort erste Wahl, wo es auf jeden Mikrometer ankommt: zum Beispiel in der Schmuck- und Uhrenindustrie, der Mikroelektronik und Medizintechnik.

Energieeffizienz: eine nachhaltige Revolution

Nachhaltigkeit ist heute und künftig von entscheidender Bedeutung. Auch Kompaktmaschinen sind auf Energieeffizienz ausgelegt, erreichen aber nicht dasselbe Level wie Mikromaschinen. Beispielsweise verbraucht die Micro5 bis zu 50-mal weniger Energie als ein konventionelles Bearbeitungszentrum und weist eine typische Leistungsaufnahme von nur 500 W für das Bearbeiten eines Würfels mit 50 mm Kantenlänge auf.

Dieser optimierte Energieverbrauch und die außergewöhnliche Dynamik machen Mikro-Fertigungszentren zu einer so wirtschaftlichen wie umweltfreundlichen Lösung, die den Anforderungen der Industrie von heute und morgen entspricht.

Anwendungen: von vielseitig zu hoch spezialisiert

Kompakte Maschinen eignen sich für anspruchsvolle Fertigungsaufgaben in unterschiedlichen Branchen. Stoßen aber häufig dort an ihre Grenzen, wo Ultrapräzision verlangt wird. Mikromaschinen hingegen sind auf schnelle Zyklen und Toleranzen im µm-Bereich ausgelegt und damit prädestiniert für die Bearbeitung von Präzisionsteilen in der Uhrenindustrie, für die Herstellung von Implantaten und Miniaturkomponenten in der Medizintechnik oder von Bauteilen für die Mikroelektronik.

Mehrwert: Innovation und Wirtschaftlichkeit

Kompaktmaschinen sind eine effiziente Lösung für Produktionsstätten, in denen geringer Platzbedarf und Vielseitigkeit Priorität haben. Mit ihrer außergewöhnlichen dynamischen Steifigkeit, ihrem reduzierten Energieverbrauch und ihren HSC-Fähigkeiten bieten Mikromaschinen Präzision auf höchstem Niveau bei gleichzeitig deutlich reduziertem Footprint.

Fazit: Das Anforderungsprofil macht den Unterschied!

Kompaktmaschinen und Mikromaschinen haben in aktuellen Fertigungsszenarien beide ihre Berechtigung. Erstere sind ideal für die traditionelle und vielseitige Produktion, letztere definieren dank fortschrittlicher Technologien wie HSC, herausragender Dynamik und Ressourceneffizienz die Standards in anspruchsvollen Anwendungsbereichen neu. Wer sich für eine Mikromaschine entscheidet, entscheidet sich für eine Zukunft der Zerspanung, bei der Präzision, Effizienz und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt jedes Bearbeitungszyklus stehen.

Der Autor: Samuel Vuadens

In seinem LinkedIn-Profil beschreibt sich Samuel Vuadens als »Unternehmer und Experte für Mikromaschinen, ich gestalte die Zukunft der Bearbeitung mikromechanischer Komponenten.« Und genau das hat er in den vergangenen Jahren mit großer Leidenschaft getan. Als Gründer der MECATIS SA brachte er die Micro5 zur Industriereife und gestaltete den globalen Erfolg der innovativen Mikromaschine entscheidend mit. Seit Integration in die CHIRON Group war er CEO der CHIRON Swiss SA mit Sitz in Isérables.

Ende Mai 2025 hat Samuel Vuadens die Leitung übergeben, um sich »mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Nostalgie, Energie und Neugier einem neuen beruflichen Kapitel zu widmen, das noch geschrieben werden will«. Die Geschäftsführung der CHIRON Swiss übernehmen Pierre Fournier, Dylan Maret und Elie Haddjeri, die gemeinsam 28 Jahre Erfahrung im Unternehmen mitbringen. Strategischer Ansprechpartner für Micro5-Kunden in der Schweiz ist Marcel Rombey, die Entwicklung der wachsenden »Mikrofamilie« führen die Teams unter Leitung von Dr.-Ing. Claus Eppler fort.